Schreinermeister Willy Hibben

Tischlermeister Franz-Josef Hibben berichtet über die Wanderjahre seines verstorbenen Vaters Willy Hibben, Jahrgang 1906.

40 Jahre nach dem Tod meines Vaters, Schreinermeister Willy Hibben, gebürtig aus Barßel, habe ich dessen ehemaliges in Sütterlin-Schrift verfasstes Wanderbuch in „Deutsche Normalschrift“ (lateinisch) übertragen lassen.

Beim Lesen seiner detaillierten Aufenthalts- und Reiseberichte quer durch das Deutsche Reich stellte ich fest, das ich während meiner eigenen Aus- und Weiterbildungungszeit als Geselle, unbewusst die gleichen Stationen aufgesucht habe, wie zuvor mein Vater während seiner Wanderschaft.
Das waren folgende Aufenthaltsorte: Münster, Köln und besonders St. Moritz in der Schweiz. Später dann Oberbayern – das Rosenheimer Land mit den umliegenden Bergen bis in die Dolomiten. Mein Vater hat in seiner Freizeit als Bergsteiger zahlreiche Klettertouren durchgeführt, auch auf den „Wendelstein“.

Die Liebe zu den Bergen speziell das „Besteigen der Berggipfel“, habe ich von meinem Vater geerbt und mit meinen Söhnen Dirk und Olaf in den1970/80er Jahren unter anderem, eine Klettertour auf den „Wendelstein“ unternommen. Im Pfarrhaus des Ortes Brandenburg erwartete uns eine große Überraschung. Im dort befindlichen „Gipfelbuch“, in welches sich jeweils die Bergsteiger eintragen, entdeckte ich zu unser aller Freude, einen Vermerk meines Vaters aus dem Jahr 1928.
Der Familiengenetik entsprechend sind im Jahr 2010 (89 Jahre später), auch Enkel Olaf Hibben mit Sohn Antheus (Urenkel) den Spuren ihres Ur-Großvaters gefolgt und haben ebenfalls den „Wendelstein“ erklommen. Sie wurden belohnt mit einer grandiosen Aussicht!

Auszüge aus dem „Wanderbuch“ von Willy Hibben
(Persönliche Aufzeichnungen von Juni 1927 bis Ende1929)
Nach einer 4-jährigen Lehrzeit bei Tischlermeister Anton Blömer in Elisabethfehn, die ich mit gutem Erfolg ablegte, wo ich auch in Kost und Logi war, was nicht einfach war, denn meine Eltern lebten nicht mehr und meine 5 Geschwister waren bei verschiedenen Familien untergebracht, machte ich mich im Juni 1925 auf den Weg in die weite Welt.
Mit dem Fahrrad und etwas Gepäck war meine erste Station Lohne, wo es ein Kolpinghaus gab, dort konnte ich übernachten. In Lohne gab es zu der Zeit viel Kleinindustrie „Bürstenfabrikation und Korkfabriken“ usw. Am Tag meiner Ankunft wurde dort gestreikt und man ließ keinen fremden Wandergesellen in die Stadt hinein.

Es hatte sich bereits herumgesprochen, das ein Wanderbursche Arbeit und Quartier suchte und so gelangte ich an die „Tischlerei Emke“, die mich in Arbeit nahm. Dort lernte ich dann auch meine spätere Frau Elisabeth (Lissy) Emke kennen.
Im Juni 1927 zog es mich dann aber doch weiter in die Ferne und mein nächster Anlaufpunkt waren dann die Kolpinghäuser Osnabrück und Münster, von dort weiter in das Industriegebiet. Zunächst nach Recklinghausen, übernachtet am „Herzogwall 38“.
Dann weiter über Herne nach Bochum, über Witten nach Hagen, dort übernachtet. Weiter nach Wuppertal – Elberfeld. Dort ist der Katholische Gesellenverein 1846 gegründet worden, benannt nach Adolf Kolping.
Wir trafen uns mit mehreren „Walzbrüdern“ und verbrachten den Nachmittag zusammen am Rheinufer. Es wurde viel über die Erlebnisse erzählt und über woher und wohin gesprochen. Dann folgte Düsseldorf, die Stadt der Kunst mit schönen Parkanlagen und Luxusgebäuden.
Anderseits vom Rhein liegt das Städtchen Neuß. Dort stand ein Kölner Lastwagen. Durch die Liebenswürdigkeit des Chauffeurs wurde ich bis ins Innere der Stadt Köln gefahren. Sehr bekannt ist ja der Dom. Es ist wirklich ein ganz kolossales Gebäude. Wir waren zu zweien in Köln um Arbeit zu suchen und wurden bei einem Bildhauer „Sion“ angestellt. Wen das Glück eben treffend, wurden wir am anderen Morgen zum Dom beauftragt, daselbst mit bei der neuen Orgel zu helfen.

Es ist im Kölner Gesellenverein die gute Sitte, jeden Morgen für die Zugereisten gemeinschaftlich Kommunion abzuhalten.Wie ich nun am Tage vorher vom Präses bestellt war die heilige Messe am Kolpinggrabe zu dienen, war es an dem Morgen für mich eine besondere Ehre.

Es ging Rheinabwärts bis nach Bonn zum Drachenfels. Bei Königswinter ließen wir uns mit der Fähre übersetzen. Es sind einfache Dampfer, nur mit einer großen Plattform worauf die Autos und Fuhrwerke auffahren. Auf der anderen Seite kamen wir in Rolandseck an.
Koblenz noch schwer besetzt von Franzosen und Engländer welche uns auch den Aufstieg zum „Ehrenbreitstein“ verweigerten. Am nächsten Morgen ging es dann bis nach St. Goar. Von dort mit dem Dampfer bis zum Loreley-Felsen gefahren. Bei Rüdesheim liegt auch das National Denkmal „Niederwald“.

Dann ging es im Galopp nach Frankfurt eine ziemlich große Verkehrsstadt und hat einen herrlichen Bahnhof. Von Frankfurt ging es dann über Darmstadt, Weinheim nach Mannheim. Da selbst im Gesellenhaus traf ich dann verschiedene bekannte Oldenburger, welche von ihrer Wienreise aus dem Österreichischen zurückkehrten. Unter den anderen waren es Tombrägel Ludwig aus Lohne und Staggenborg Jop aus Langförden.
Nun gings aber mit Mut an Arbeitssuchen welches auch glücken sollte und somit kam ich im Neckarraum bei einem Meister unter der früher schon mal in Oldenburg lange Jahre sein Geschäft geführt hatte.

Am 7. März kamen wir in Stuttgart an. Am folgenden Sonntag machten wir einen Ausflug mit einigen Gesellen. Mein Kollege Ludwig hatte gleich Arbeit. Da ich aber keine Arbeit bekommen konnte, sind wir nach einem Aufenthalt von 8 Tagen weiter gezogen.

Es war der 24. März 1928. Unser erster Gang war zum Gesellenhaus St. Anna in München. Dort trafen wir verschiedene Kollegen noch von Mannheim her bekannt. Diese haben uns gleich mit einem Maßkrug Münchner Biers getränkt. Von München aus haben wir dann allerhand Touren unternommen, Bayerische Alpen, Königsschlösser nebst den herrlichen Seen. So waren denn wir in Andechs, daselbst ein altes Kloster und eine von den Benediktiner Patern geführte weltbekannte Brauerei. Vom Turm der Kirche einen herrlichen Ausblick auf das schöne Bayernland und den Ammersee. Es ist eine schöne Erinnerung.

Ostern 1929 machten wir eine kleine Tour mit einigen Kollegen nach Bad Reichenhall. Garmisch-Partenkirchen wurde Zentrum unserer Ausflüge. Am 4. August 1929 Ausflug der Schreinerfachabteilung München nach „Schloß Herrenchiemsee“.
Am 18. August geht unser Ausflug auf die „Zugspitze“.Tags zuvor wurde Proviant und Gerätschaften in Ordnung gebracht. Nach überstandenen Strapazen gelangten wir gegen 10 Uhr abends an, wo wir von eben solche sportbegeisterte Bergtouristen unseres Vereins empfangen wurden. Dann legten wir uns schlafen. In aller Früh waren wir wieder munter. Kaffee wurde gemacht und behaglich gefrühstückt. Dann „auf geht`s“ – in der Hand den wohl gespitzten zuverlässigen Eispickel, erstaunt über die Ausdehnung dieses Gletschers, der vom Tal so klein aussieht. Unterwegs hatten wir zu kämpfen gegen Steinschlag.
Wir waren auf dem Ostgipfel (3.694 Meter hoch) angekommen. Nach einem Aufenthalt von einigen Stunden hatten wir die schönste Aussicht auf die Alpenspitzen. Es zog Nebel auf und wir mussten unseren Abschied schnellstens machen. Sind dann an der Österreichischen Seite abgestiegen. Noch einige Kilometer und wir waren wieder an unserem Ausgangspunkt Garmisch-Partenkirchen.
H.S.

Quelle: Barßeler Blätter Nr. 34 – 2018

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