Kriegserinnerungen – Kirchturmsprengung 1945

Kriegserinnerungen – das Jahr 1945
Bomben auf Barßel

Aus Anlass des 70. Jahrestages der Bombardierung des Seemannsdorfes Barßel im Frühjahr 1945 – wenige Monate vor dem Ende des II. Weltkrieges – erinnern zwei Zeitzeugen an die Kriegsereignisse, die Mitglieder des BHV Meinhard Hoffmann und Ernst Weyland. Bis zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs war unsere Landgemeinde von größeren Zerstörungen verschont geblieben, denn es gab hier keine kriegswichtigen Ziele.
Am 11. Februar 1945, während des Hochamtes, erfolgte ein überraschender Luftangriff durch englische Flugzeuge. Zwei Bomben explodierten in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche.
An der Kirche selbst entstanden nur leichte Sachschäden, aber die benachbarten zwei Wohnhäuser wurden total zerstört. Eine 45- jährige Frau verlor ihr Leben, die Mutter von Meinhard Hoffmann.

Auch die Schule wurde stark beschädigt, Fenster und Türen herausgerissen und alle Fensterscheiben zersplittert. Zeitgleich wurden über dem Ortsteil Barßelermoor von der Royal Air Force mehrere sogen. Brandkanister (Flüssigkeitsbrandbomben) abgeworfen. Das Haus der Familie Janßen ging in Flammen auf. Besonders tragisch – drei Kinder wurden getötet:
Thekla Janßen, Engelbert Janßen sowie ein Nachbarskind Margaretha Niemeyer. Ein weiterer Junge der Familie Janßen, Hans, überlebte dieses Inferno mit schweren Brandverletzungen, an denen er jedoch ein halbes Jahr später gestorben ist. Bei den Brandopfern Engelbert und Hans Janßen handelt es sich um die Brüder von Hannelore Wagner, der Ehefrau des Vorsitzenden unseres Bürger- und Heimatvereins.
Ein zweiter, großer Fliegerangriff durch 11 britische Lancaster-Bomber auf den Ortskern von Barßel am 14. April 1945, richtete unermessliche Schäden an. Durch die Sprengbomben wurde das gesamte Umfeld zwischen dem Gemeindebüro und der Landessparkasse verwüstet. Besonders hart getroffen hatte es zahlreiche Wohnhäuser in der Mühleneschstraße, die völlig zerstört wurden. Über die Familien Elsen, Weyland, Göttken, Bley und Remmers war plötzlich und unerwartet viel Elend hereingebrochen, sie wurden von einer Minute zur anderen „obdachlos“! Wie durch ein Wunder sind bei diesem verheerenden Luftangriff keine Menschen ums Leben gekommen!
Die deutschen Truppen, in der Hauptsache Fallschirmjäger, hatten am Küstenkanal eine Verteidigungslinie aufgebaut. Alle Brückenübergänge wurden gesprengt. In der zweiten Aprilhälfte kam es zu heftigen Gefechten, die auf beiden Seiten hohe Verluste forderten. Zwei Wochen lang verteidigten deutsche Soldaten ihre Stellungen, dann begann der Rückzug. Alliierte Kampfverbände näherten sich Bokelesch. Von Osten kommend besetzten kanadische Truppen den Raum Godensholt. Plötzlich gehörte Barßel zur Kampfzone. Jetzt wurde von beiden Seiten nach Barßel hineingeschossen.

Am Abend des 29. April entschlossen sich die deutschen Fallschirmjäger, den 36 Meter hohen Kirchturm in Barßel zu sprengen, um für den vorrückenden Feind diesen wichtigen Beobachtungsposten unbrauchbar zu machen. Zum Sprengen wurden von den Soldaten mehrere Seeminen angebracht und gezündet. Die Zerstörungen waren katastrophal. Der Turm und die 11/2 Meter dicken Wände wurden weggesprengt, die angrenzende Giebelwand des Gotteshauses total zerstört, Gewölbe und Kirchendach durch die immense Druckwelle zu 2/3 weggerissen.
In der kleinen Straße zwischen Kirchplatz und Bäcker Nehus türmten sich die Schuttmassen mehrere Meter hoch. Die Hauptstraße war „unpassierbar“! Auch das Pastorat und viel Nachbarhäuser hatten durch diese „unnötige Sprengung“ erheblichen Schaden genommen.
Schon wenige Tage später, am 1. Mai 1945, verließen die letzten deutschen Soldaten das Barßeler Kampfgebiet in Richtung Westerstede. Vor ihrem Abzug sprengten sie in der Gemeinde Barßel sämtliche Eisenbahn-, Fluss- und Kanalbrücken, um den Vormarsch der feindlichen Truppen aufzuhalten. In den letzten Kriegstagen flogen Tag für Tag englische und amerikanische Bomberverbände über Barßel hinweg in Richtung Osten, wo die Kampfhandlungen um die Reichshauptstadt Berlin noch andauerten.

Nachdem die alliierten Truppenverbände den Hunte-Ems-Kanal überschritten hatten, endeten im Nordwesten Deutschlands alle Kampfhandlungen und zwar bereits vier Tage vor der offiziellen Kapitulationserklärung der Wehrmacht am 8. Mai 1945.
Inzwischen waren die ersten kanadischen Brigaden in Barßel einmarschiert.
Die zwei Zeitzeugen äußerten den Wunsch und die Hoffnung, dass im zusammen wachsenden Europa, kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Nachbarstaaten der Vergangenheit angehören mögen. Der Gedanke der Völkerverständigung, das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, sollte weiterhin im Vordergrund stehen.
Abschließend bleibt festzustellen, wir erleben zur Zeit in Europa die längste Friedensperiode der letzten Jahrhunderte.
H.S.

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